Zinsanpassungen in den meisten Sparverträgen kannten seit Jahren nur eine Richtung – nach unten. Das könnte sich nun ändern. Viele Sparer haben nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs Anspruch auf Zinsnachzahlungen. Der XI. Zivilsenat hat deutlich gemacht, dass Klauseln, die es den Banken ermöglichen, den variablen Zinssatz quasi nach Belieben zu verändern, unzulässig sind (BGH vom 06.10.2021 - XI ZR 234/20).
„Das Urteil hat wegweisende Bedeutung. Bei vielen Prämiensparverträgen wurden demnach zu niedrige Zinsen berechnet, so dass die Sparer nun einen Anspruch auf Nachberechnung ihrer Zinsen haben“, sagt Rechtsanwalt Michael Staudenmayer, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Stuttgart.
Festlegung des Zinssatzes nach „Gutsherrenart“ geht nicht
In zahlreichen Sparverträgen haben sich die Kreditinstitute selbst große Freiheiten bei der Festlegung des variablen Zinssatzes eingeräumt und haben das Zinsniveau so erheblich gesenkt. Die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig machte da keine Ausnahme. In ihren Prämiensparverträgen hieß es, dass die Spareinlage variabel verzinst wird und eine Zinsanpassung durch Änderung des Aushangs im Kassenraum in Kraft tritt. Solche Regelungen erinnerten nicht nur an Gutsherrenart, sie seien auch unzulässig, fand der Vorsitzende Richter Ellenberger deutliche Worte. Er gab damit der Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen weitgehend statt. Die Verbraucherschützer hatten geklagt, weil sie solche Klauseln für unwirksam halten. Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale Sachsen haben die Kunden im Fall der Sparkasse Leipzig im Schnitt circa 3.100 Euro pro Vertrag zu wenig ausbezahlt erhalten!
Mindestmaß an Kalkulierbarkeit erforderlich
Der BGH machte deutlich, dass der Verbraucher ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit des Zinssatzes haben müsse. Dazu sei es zunächst nötig, dass bei alten Verträgen ein Referenzzinssatz gerichtlich festgelegt wird und die Bank den relativen Abstand zum Referenzzinssatz halten muss. Der Zinssatz müsse monatlich angepasst werden. Welcher Referenzzinssatz festgelegt wird, muss nun noch das OLG Dresden entscheiden.
Hinsichtlich der Verjährung der Ansprüche legte der BGH fest, dass die Verjährung erst mit Beendigung des Prämiensparvertrags beginnt. Dies gelte auch für die Nachberechnung der Zinsen.
Sogar die BaFin schaltete sich ein
Schon die Aufsichtsbehörde BaFin hatte hinsichtlich unwirksamer Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen Druck gemacht. Sie verpflichtete die Kreditinstitute per Allgemeinverfügung vom 21.06.2021 ihre Kunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren und ihnen entweder eine Zinsnachberechnung zuzusichern oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anzubieten. Damit stieß die BaFin allerdings auf wenig Gehör bei den Banken. Wie die Finanzdienstleistungsaufsicht am 09.09.2021 mitteilte, haben mehr als 1.100 Kreditinstitute Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung eingelegt und müssen sich bis zu einer endgültigen Klärung nicht an die Allgemeinverfügung halten.
„Das Verhalten der Banken und Sparkassen zeigt, dass die Sparer auch nach dem BGH-Urteil nicht damit rechnen können, dass die Banken nun auf sie zukommen und freiwillig Zinsnachzahlungen anbieten werden. Sie müssen ihre Ansprüche auf Zinsnachzahlung selbst geltend machen. Dann bestehen gute Chancen, diese Ansprüche auch durchzusetzen. Die Zinsnachzahlungen können sich je nach Vertrag schnell auf mehrere tausend Euro summieren“, so Rechtsanwalt Staudenmayer.
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